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Von einer Krise zur nächsten? Familienunternehmen im 21. Jahrhundert

Von einer Krise zur nächsten? Familienunternehmen im 21. Jahrhundert 1Eine Krise überwunden, schon folgt die nächsteDie Corona-Pandemie, die fast zwei Jahre auch die Familienunternehmerinnen und -unternehmer im verarbeitenden Gewerbe immer wieder herausgefordert hatte, besaß zu Jahresbeginn 2022 laut einer Befragung des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn für das „Zukunftspanel Mittelstand“ kaum mehr Bedrohungspotenzial. Stattdessen bezeichneten die Unternehmerinnen und Unternehmer den Fachkräftemangel als größte Herausforderung, gefolgt von der Digitalisierung sowie vom erhöhten Wettbewerbsdruck und der Innovationsfähigkeit (vgl. Icks et al. 2022).Seit dem 24. Februar 2022 tobt in der Ukraine nun ein fürchterlicher Angriffskrieg, infolgedessen die europäischen Unternehmen vor allem unter gestiegenen Preisen für Vorprodukte, Rohstoffe und Energie leiden. Zugleich stehen die Unternehmerinnen und Unternehmer vor der Aufgabe, nachhaltiger zu wirtschaften und ihr Geschäftsmodell stetig auf Digitalisierungsmöglichkeiten zu überprüfen. Unabhängig davon ist es mehr denn je notwendig, geeignete Fachkräfte zu finden.2Stärkung der unternehmerischen und persönlichen ResilienzGenerell zeigt die wissenschaftliche Forschung zum Umgang der Unternehmen mit der Corona-Pandemie, dass die Anpassungsfähigkeit vieler kleiner und mittlerer Unternehmen an Krisensituationen erstaunlich und ermutigend ist. Doch wie lässt sich Agilität im Sinne von Anpassungsfähigkeit langfristig aufrechterhalten? Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IfM Bonn haben in zwei Studien die Resilienz von Unternehmerinnen und Unternehmern im Zuge der Corona-Pandemie untersucht. Sie kommen dabei zum Schluss, dass zum einen eine gute Kapitalausstattung die Robustheit eines Unternehmens stärkt. Zum anderen hängt es aber auch von der Unternehmerperson und deren Handeln sowohl vor als auch während der Krisensituation ab, wie ein Unternehmen die plötzlich auftretende Situation bewältigt (vgl. Brink et al. 2022). Dabei wirkt es sich besonders auf die Entscheidungs-, Veränderungs- und Innovationsprozesse im Unternehmen aus, wie flexibel Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrer Arbeitsweise und in ihren Bewältigungsstrategien sind und wie stark ihre individuelle Lösungs-, Ziel- und Chancenorientierung ausgebildet ist.In diesem Zusammenhang dürfen die Unternehmerinnen und Unternehmer auch nicht als Menschen vergessen werden. Sie haben in schwierigen Unternehmenssituationen auch selbst mit ihrem persönlichen Wohlergehen zu kämpfen. Während der Corona-Pandemie sank dieses beispielsweise um 12 Prozent. Auf den ersten Blick mag das nicht viel sein – dennoch ist es signifikant. Das persönliche Wohlbefinden wirkt sich schließlich auch auf die Ausdauer der einzelnen Unternehmerinnen und Unternehmer aus: So berichteten einige von ihnen in einer globalen Befragung, dass sie durch die Corona-Krise so gestresst waren, dass sie nicht mehr schlafen konnten. Dies habe teilweise dazu geführt, dass sie ihr Unternehmen aufgaben – aber nicht, weil es nicht mehr lebensfähig war, sondern weil sie den Stress nicht mehr aushalten konnten (vgl. Stephan et al. 2021). Auch das persönliche Wohlbefinden der Unternehmerinnen und Unternehmer ist folglich für eine Volkswirtschaft wichtig: Wer glücklich und zufrieden ist, denkt eher langfristig und ist entsprechend zur Entwicklung von Innovationen bereit.Gleichwohl gab es während der Pandemie auch Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihre psychische Belastung in innovative Kraft umzuwandeln verstanden: Manche stellten die Produktion in ihrem Unternehmen auf nunmehr benötigte Waren um – oder sie passten ihre Geschäftsmodelle an die neue Situation an. Diese Innovationsfähigkeit der Unternehmerinnen und Unternehmer dürfte angesichts der vielfältigen aktuellen Herausforderungen weiter an Bedeutung gewinnen (vgl. De Massis et al. 2020). Um zwei Beispiele zu nennen: Seit ein paar Jahren steigt die Kundennachfrage nach umweltfreundlicheren und nachhaltigeren Produkten und Dienstleistungen. Für die Unternehmerinnen und Unternehmer bedeutet dies, dass sie – abhängig vom Produkt – ihre Geschäftsmodelle mit mehr Nachhaltigkeit verbinden müssen, um auf Dauer weiterhin Gewinn erwirtschaften zu können. Eine Befragung in Deutschland im verarbeitenden Gewerbe von 2021 belegt, dass sie sich dessen durchaus bewusst sind: So gab bereits zu diesem Zeitpunkt mehr als die Hälfte der Unternehmensvertreterinnen und -vertreter an, schon in den drei Jahren davor umweltrelevante Innovationen in die Praxis umgesetzt zu haben (vgl. Dienes et al. 2021). Eine weitere Studie des Kings College zeigt, dass die Corona-Pandemie die Bereitschaft für nachhaltigeres Wirtschaften erhöht hat. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sehen in diesem Zusammenhang vermehrt Geschäftsgelegenheiten (vgl. Stephan et al. 2021).3Rückbesinnung auf traditionelle WerteEine Befragung, die während der Corona-Pandemie in Italien stattfand, belegt zudem, dass Unternehmerinnen und Unternehmer in unsicheren Zeiten traditionelle Werte als Kompass für ihr Verhalten und Vorgehen nutzen. Angesichts der aktuellen Herausforderungen ist davon auszugehen, dass diese Werte noch an Bedeutung gewinnen werden (vgl. De Massis et al. 2020). Zugleich stehen wir aber auch in ganz Europa vor einer massiven Welle an Generationswechseln: Familienunternehmen werden dabei zunehmend an Nachfolgerinnen und Nachfolger übergeben, deren Welt „phygital“ ist: physisch und digital. Sie leben in einer zunehmend digitalisierten Welt. Nicht erst seit der Pandemie nutzen sie sehr selbstverständlich das Potenzial der digitalen Technologien und die damit verbundenen Arbeitsweisen. Gleichzeitig muss die (künftige) Generation der Unternehmerinnen und Unternehmer aber auch darüber nachdenken, wie sie die zwischenmenschlichen Beziehungen aufrechterhalten und schützen, um der Gefahr der Entmenschlichung im Zuge der digitalen Transformation begegnen zu können.Die bereits erwähnte Befragung in Italien hat in dem Zusammenhang gezeigt, dass sich dort im Zuge der Pandemie die Beziehung der Unternehmerinnen und Unternehmer zu ihrer Belegschaft verändert hat. Dazu trug einerseits bei, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer krisenbedingt zusätzliche Opfer bringen mussten. Zum anderen waren aber auch die Personalverantwortlichen durch die Corona-Krise gefordert, mehr Arbeitsflexibilität zu ermöglichen. Durch beides ist nach Aussagen der meisten befragten Unternehmerinnen und Unternehmer die Beziehung zu ihren Belegschaften empathischer geworden: Die Humanressourcen würden nun stärker in Management- und Entscheidungsprozesse einbezogen, heißt es, und das Innovationsmanagement werde mehr auf die Menschen ausgerichtet. Zugleich spielen die Talentförderung und Weiterbildung eine noch größere Rolle – schließlich liegt ein Schlüsselaspekt des Wettbewerbsvorteils von Familienunternehmen in ihrer Fähigkeit, persönliche und langfristige Beziehungen aufzubauen und zu entwickeln (vgl. De Massis und Rondi 2020).4Handlungsempfehlungen für die PolitikWenn die Familienunternehmen nun neben den vielfältigen, aktuellen Herausforderungen auch das Ziel des nachhaltigen Wirtschaftens verfolgen sollen, bedarf es eines querschnittsorientierten oder horizontalen Politikansatzes, der auch andere Ressorts neben dem Wirtschaftsministerium einbezieht. Wie dies konkret aussieht, haben wir während der Corona-Pandemie erlebt: Als die Pandemie über Europa hereinbrach, ging es im Hinblick auf den Umgang damit nicht mehr allein um Wirtschaftspolitik, sondern auch um Gesundheitspolitik, um antipandemische Maßnahmen und um die Unterstützung der Unternehmen angesichts der Folgen der antipandemischen Maßnahmen (vgl. Welter et al. 2021).Dabei zeigte sich, dass die Politik abhängig von der jeweiligen Situation schnell und entschieden handeln kann. Diesen Schwung gilt es angesichts der aktuellen Herausforderungen aufrechtzuerhalten. Dazu gehört auch, gezielt Bürokratie abzubauen, indem rechtliche Vorgaben immer wieder auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls revidiert werden. Anderenfalls riskiert man steigende Unzufriedenheit bei den Unternehmerinnen und Unternehmern oder sogar Vermeidungsverhalten – schon 2018 gab in Deutschland jede vierte Unternehmensvertreterin oder Unternehmensvertreter an, bewusst einzelne bürokratische Erfordernisse nicht zu erfüllen (vgl. Holz et al. 2019). Im schlechtesten Fall entwickelt sich neben der offiziellen Wirtschaft eine Schattenwirtschaft. Welche Konsequenzen dies auf Dauer für ein Land haben kann, hat Arnis Sauka anhand der Folgen von Steuerhinterziehung für die rechtsstaatlich agierenden Wirtschaftsunternehmen in Lettland aufgezeigt. Um dies zu vermeiden, sind Maßnahmen wie die dargestellten wichtig, um das Vertrauen der Unternehmerinnen und Unternehmer zur Politik zu stärken (vgl. Mickiewicz et al. 2019).Gleichwohl steht die Politik in Krisenzeiten vor der Aufgabe, einen Spagat zwischen unmittelbar notwendiger finanzieller Unterstützung für die Unternehmen – wie es zeitweise während der Pandemie sinnvoll und hilfreich war – und rahmenorientierter Ordnungspolitik zu vollziehen. Staatliche Unterstützungsprogramme sollten folglich nur dann ins Leben gerufen werden, wenn die Notlage der Unternehmen auf einer existenzgefährdenden Ausnahmesituation beruht – aber nicht, solange diese Notlage eine Folge des unternehmerischen Risikos ist. Insgesamt sollte die Politik das Ziel verfolgen, die Wettbewerbsfähigkeit der Familienunternehmen zu stärken, so dass diese innovieren und den Strukturwandel meistern können. http://www.deepdyve.com/assets/images/DeepDyve-Logo-lg.png Perspektiven der Wirtschaftspolitik de Gruyter

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Publisher
de Gruyter
Copyright
© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
ISSN
1465-6493
eISSN
1468-2516
DOI
10.1515/pwp-2022-0041
Publisher site
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Abstract

1Eine Krise überwunden, schon folgt die nächsteDie Corona-Pandemie, die fast zwei Jahre auch die Familienunternehmerinnen und -unternehmer im verarbeitenden Gewerbe immer wieder herausgefordert hatte, besaß zu Jahresbeginn 2022 laut einer Befragung des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn für das „Zukunftspanel Mittelstand“ kaum mehr Bedrohungspotenzial. Stattdessen bezeichneten die Unternehmerinnen und Unternehmer den Fachkräftemangel als größte Herausforderung, gefolgt von der Digitalisierung sowie vom erhöhten Wettbewerbsdruck und der Innovationsfähigkeit (vgl. Icks et al. 2022).Seit dem 24. Februar 2022 tobt in der Ukraine nun ein fürchterlicher Angriffskrieg, infolgedessen die europäischen Unternehmen vor allem unter gestiegenen Preisen für Vorprodukte, Rohstoffe und Energie leiden. Zugleich stehen die Unternehmerinnen und Unternehmer vor der Aufgabe, nachhaltiger zu wirtschaften und ihr Geschäftsmodell stetig auf Digitalisierungsmöglichkeiten zu überprüfen. Unabhängig davon ist es mehr denn je notwendig, geeignete Fachkräfte zu finden.2Stärkung der unternehmerischen und persönlichen ResilienzGenerell zeigt die wissenschaftliche Forschung zum Umgang der Unternehmen mit der Corona-Pandemie, dass die Anpassungsfähigkeit vieler kleiner und mittlerer Unternehmen an Krisensituationen erstaunlich und ermutigend ist. Doch wie lässt sich Agilität im Sinne von Anpassungsfähigkeit langfristig aufrechterhalten? Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IfM Bonn haben in zwei Studien die Resilienz von Unternehmerinnen und Unternehmern im Zuge der Corona-Pandemie untersucht. Sie kommen dabei zum Schluss, dass zum einen eine gute Kapitalausstattung die Robustheit eines Unternehmens stärkt. Zum anderen hängt es aber auch von der Unternehmerperson und deren Handeln sowohl vor als auch während der Krisensituation ab, wie ein Unternehmen die plötzlich auftretende Situation bewältigt (vgl. Brink et al. 2022). Dabei wirkt es sich besonders auf die Entscheidungs-, Veränderungs- und Innovationsprozesse im Unternehmen aus, wie flexibel Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrer Arbeitsweise und in ihren Bewältigungsstrategien sind und wie stark ihre individuelle Lösungs-, Ziel- und Chancenorientierung ausgebildet ist.In diesem Zusammenhang dürfen die Unternehmerinnen und Unternehmer auch nicht als Menschen vergessen werden. Sie haben in schwierigen Unternehmenssituationen auch selbst mit ihrem persönlichen Wohlergehen zu kämpfen. Während der Corona-Pandemie sank dieses beispielsweise um 12 Prozent. Auf den ersten Blick mag das nicht viel sein – dennoch ist es signifikant. Das persönliche Wohlbefinden wirkt sich schließlich auch auf die Ausdauer der einzelnen Unternehmerinnen und Unternehmer aus: So berichteten einige von ihnen in einer globalen Befragung, dass sie durch die Corona-Krise so gestresst waren, dass sie nicht mehr schlafen konnten. Dies habe teilweise dazu geführt, dass sie ihr Unternehmen aufgaben – aber nicht, weil es nicht mehr lebensfähig war, sondern weil sie den Stress nicht mehr aushalten konnten (vgl. Stephan et al. 2021). Auch das persönliche Wohlbefinden der Unternehmerinnen und Unternehmer ist folglich für eine Volkswirtschaft wichtig: Wer glücklich und zufrieden ist, denkt eher langfristig und ist entsprechend zur Entwicklung von Innovationen bereit.Gleichwohl gab es während der Pandemie auch Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihre psychische Belastung in innovative Kraft umzuwandeln verstanden: Manche stellten die Produktion in ihrem Unternehmen auf nunmehr benötigte Waren um – oder sie passten ihre Geschäftsmodelle an die neue Situation an. Diese Innovationsfähigkeit der Unternehmerinnen und Unternehmer dürfte angesichts der vielfältigen aktuellen Herausforderungen weiter an Bedeutung gewinnen (vgl. De Massis et al. 2020). Um zwei Beispiele zu nennen: Seit ein paar Jahren steigt die Kundennachfrage nach umweltfreundlicheren und nachhaltigeren Produkten und Dienstleistungen. Für die Unternehmerinnen und Unternehmer bedeutet dies, dass sie – abhängig vom Produkt – ihre Geschäftsmodelle mit mehr Nachhaltigkeit verbinden müssen, um auf Dauer weiterhin Gewinn erwirtschaften zu können. Eine Befragung in Deutschland im verarbeitenden Gewerbe von 2021 belegt, dass sie sich dessen durchaus bewusst sind: So gab bereits zu diesem Zeitpunkt mehr als die Hälfte der Unternehmensvertreterinnen und -vertreter an, schon in den drei Jahren davor umweltrelevante Innovationen in die Praxis umgesetzt zu haben (vgl. Dienes et al. 2021). Eine weitere Studie des Kings College zeigt, dass die Corona-Pandemie die Bereitschaft für nachhaltigeres Wirtschaften erhöht hat. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sehen in diesem Zusammenhang vermehrt Geschäftsgelegenheiten (vgl. Stephan et al. 2021).3Rückbesinnung auf traditionelle WerteEine Befragung, die während der Corona-Pandemie in Italien stattfand, belegt zudem, dass Unternehmerinnen und Unternehmer in unsicheren Zeiten traditionelle Werte als Kompass für ihr Verhalten und Vorgehen nutzen. Angesichts der aktuellen Herausforderungen ist davon auszugehen, dass diese Werte noch an Bedeutung gewinnen werden (vgl. De Massis et al. 2020). Zugleich stehen wir aber auch in ganz Europa vor einer massiven Welle an Generationswechseln: Familienunternehmen werden dabei zunehmend an Nachfolgerinnen und Nachfolger übergeben, deren Welt „phygital“ ist: physisch und digital. Sie leben in einer zunehmend digitalisierten Welt. Nicht erst seit der Pandemie nutzen sie sehr selbstverständlich das Potenzial der digitalen Technologien und die damit verbundenen Arbeitsweisen. Gleichzeitig muss die (künftige) Generation der Unternehmerinnen und Unternehmer aber auch darüber nachdenken, wie sie die zwischenmenschlichen Beziehungen aufrechterhalten und schützen, um der Gefahr der Entmenschlichung im Zuge der digitalen Transformation begegnen zu können.Die bereits erwähnte Befragung in Italien hat in dem Zusammenhang gezeigt, dass sich dort im Zuge der Pandemie die Beziehung der Unternehmerinnen und Unternehmer zu ihrer Belegschaft verändert hat. Dazu trug einerseits bei, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer krisenbedingt zusätzliche Opfer bringen mussten. Zum anderen waren aber auch die Personalverantwortlichen durch die Corona-Krise gefordert, mehr Arbeitsflexibilität zu ermöglichen. Durch beides ist nach Aussagen der meisten befragten Unternehmerinnen und Unternehmer die Beziehung zu ihren Belegschaften empathischer geworden: Die Humanressourcen würden nun stärker in Management- und Entscheidungsprozesse einbezogen, heißt es, und das Innovationsmanagement werde mehr auf die Menschen ausgerichtet. Zugleich spielen die Talentförderung und Weiterbildung eine noch größere Rolle – schließlich liegt ein Schlüsselaspekt des Wettbewerbsvorteils von Familienunternehmen in ihrer Fähigkeit, persönliche und langfristige Beziehungen aufzubauen und zu entwickeln (vgl. De Massis und Rondi 2020).4Handlungsempfehlungen für die PolitikWenn die Familienunternehmen nun neben den vielfältigen, aktuellen Herausforderungen auch das Ziel des nachhaltigen Wirtschaftens verfolgen sollen, bedarf es eines querschnittsorientierten oder horizontalen Politikansatzes, der auch andere Ressorts neben dem Wirtschaftsministerium einbezieht. Wie dies konkret aussieht, haben wir während der Corona-Pandemie erlebt: Als die Pandemie über Europa hereinbrach, ging es im Hinblick auf den Umgang damit nicht mehr allein um Wirtschaftspolitik, sondern auch um Gesundheitspolitik, um antipandemische Maßnahmen und um die Unterstützung der Unternehmen angesichts der Folgen der antipandemischen Maßnahmen (vgl. Welter et al. 2021).Dabei zeigte sich, dass die Politik abhängig von der jeweiligen Situation schnell und entschieden handeln kann. Diesen Schwung gilt es angesichts der aktuellen Herausforderungen aufrechtzuerhalten. Dazu gehört auch, gezielt Bürokratie abzubauen, indem rechtliche Vorgaben immer wieder auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls revidiert werden. Anderenfalls riskiert man steigende Unzufriedenheit bei den Unternehmerinnen und Unternehmern oder sogar Vermeidungsverhalten – schon 2018 gab in Deutschland jede vierte Unternehmensvertreterin oder Unternehmensvertreter an, bewusst einzelne bürokratische Erfordernisse nicht zu erfüllen (vgl. Holz et al. 2019). Im schlechtesten Fall entwickelt sich neben der offiziellen Wirtschaft eine Schattenwirtschaft. Welche Konsequenzen dies auf Dauer für ein Land haben kann, hat Arnis Sauka anhand der Folgen von Steuerhinterziehung für die rechtsstaatlich agierenden Wirtschaftsunternehmen in Lettland aufgezeigt. Um dies zu vermeiden, sind Maßnahmen wie die dargestellten wichtig, um das Vertrauen der Unternehmerinnen und Unternehmer zur Politik zu stärken (vgl. Mickiewicz et al. 2019).Gleichwohl steht die Politik in Krisenzeiten vor der Aufgabe, einen Spagat zwischen unmittelbar notwendiger finanzieller Unterstützung für die Unternehmen – wie es zeitweise während der Pandemie sinnvoll und hilfreich war – und rahmenorientierter Ordnungspolitik zu vollziehen. Staatliche Unterstützungsprogramme sollten folglich nur dann ins Leben gerufen werden, wenn die Notlage der Unternehmen auf einer existenzgefährdenden Ausnahmesituation beruht – aber nicht, solange diese Notlage eine Folge des unternehmerischen Risikos ist. Insgesamt sollte die Politik das Ziel verfolgen, die Wettbewerbsfähigkeit der Familienunternehmen zu stärken, so dass diese innovieren und den Strukturwandel meistern können.

Journal

Perspektiven der Wirtschaftspolitikde Gruyter

Published: Nov 1, 2022

Keywords: L26; L53; Familienunternehmen; Krisen; Entrepreneurshipforschung; nachhaltiges Wirtschaften; Mittelstandspolitik

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