Get 20M+ Full-Text Papers For Less Than $1.50/day. Start a 14-Day Trial for You or Your Team.

Learn More →

Vom Märtyrer zum leidenden Opfer? Umrisse einer historischen Opferforschung am Beispiel der Salzburger Emigration (1731/32)

Vom Märtyrer zum leidenden Opfer? Umrisse einer historischen Opferforschung am Beispiel der... ZusammenfassungIn den populären Diskursen der Gegenwart scheint das Opfer omnipräsent. Auch in der Geschichtswissenschaft rücken Opfernarrative und Opferbilder zunehmend in den Fokus der Forschung, wobei sich die Forschungsansätze und Methoden der Frühneuzeitforschung von jenen der Zeitgeschichte stark unterscheiden. Der Beitrag stellt in einem ersten Abschnitt ein dreistufiges Analysemodell vor, mit dem die Entstehung und die sozialen Funktionen von Opferschaft vergleichend über Epochengrenzen hinweg analysiert werden können. Es ermöglicht zudem eine klare Unterscheidung zwischen beteiligten Akteursgruppen mit eigener agency und eigenen Partizipationschancen sowie zwischen unterschiedlichen Formen der Viktimisierung samt ihren Auswirkungen. Im Gegensatz zum eher statischen Begriff „Opfer“ betont das Konzept der Viktimisierung das Prozesshafte jener Vorgänge, über die ein Opferstatus im Empfinden der Betroffenen selbst, in der Wahrnehmung anderer Akteursgruppen, von Institutionen oder der Öffentlichkeit erst hergestellt wird. Im Anschluss wird das Analysemodell am Beispiel der Salzburger Emigration von 1731/1732 exemplifiziert. Forschungen zur neueren und neuesten Geschichte haben betont, dass die theoretische Konzeption des „Opfers“ als passiv leidender Mensch (victim) eng mit dem Ursprung der bürgerlichen Gesellschaft verbunden gewesen sei und vor allem durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg gesellschaftlich wirkmächtig wurde. Die Fallstudie demonstriert, dass bereits in der Frühen Neuzeit über die Idee des sacrifice hinausweisende Dimensionen des Opfers nachweisbar und dass opferzentrierte Erinnerungskulturen keine Erfindung der Neuzeit sind. http://www.deepdyve.com/assets/images/DeepDyve-Logo-lg.png Historische Zeitschrift de Gruyter

Vom Märtyrer zum leidenden Opfer? Umrisse einer historischen Opferforschung am Beispiel der Salzburger Emigration (1731/32)

Historische Zeitschrift , Volume 310 (3): 32 – Jun 1, 2020

Loading next page...
 
/lp/de-gruyter/vom-m-rtyrer-zum-leidenden-opfer-umrisse-einer-historischen-AffpkNXU0l

References

References for this paper are not available at this time. We will be adding them shortly, thank you for your patience.

Publisher
de Gruyter
Copyright
© 2020 by Walter de Gruyter Berlin/Boston
ISSN
2196-680X
eISSN
2196-680X
DOI
10.1515/hzhz-2020-0020
Publisher site
See Article on Publisher Site

Abstract

ZusammenfassungIn den populären Diskursen der Gegenwart scheint das Opfer omnipräsent. Auch in der Geschichtswissenschaft rücken Opfernarrative und Opferbilder zunehmend in den Fokus der Forschung, wobei sich die Forschungsansätze und Methoden der Frühneuzeitforschung von jenen der Zeitgeschichte stark unterscheiden. Der Beitrag stellt in einem ersten Abschnitt ein dreistufiges Analysemodell vor, mit dem die Entstehung und die sozialen Funktionen von Opferschaft vergleichend über Epochengrenzen hinweg analysiert werden können. Es ermöglicht zudem eine klare Unterscheidung zwischen beteiligten Akteursgruppen mit eigener agency und eigenen Partizipationschancen sowie zwischen unterschiedlichen Formen der Viktimisierung samt ihren Auswirkungen. Im Gegensatz zum eher statischen Begriff „Opfer“ betont das Konzept der Viktimisierung das Prozesshafte jener Vorgänge, über die ein Opferstatus im Empfinden der Betroffenen selbst, in der Wahrnehmung anderer Akteursgruppen, von Institutionen oder der Öffentlichkeit erst hergestellt wird. Im Anschluss wird das Analysemodell am Beispiel der Salzburger Emigration von 1731/1732 exemplifiziert. Forschungen zur neueren und neuesten Geschichte haben betont, dass die theoretische Konzeption des „Opfers“ als passiv leidender Mensch (victim) eng mit dem Ursprung der bürgerlichen Gesellschaft verbunden gewesen sei und vor allem durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg gesellschaftlich wirkmächtig wurde. Die Fallstudie demonstriert, dass bereits in der Frühen Neuzeit über die Idee des sacrifice hinausweisende Dimensionen des Opfers nachweisbar und dass opferzentrierte Erinnerungskulturen keine Erfindung der Neuzeit sind.

Journal

Historische Zeitschriftde Gruyter

Published: Jun 1, 2020

Keywords: Opfernarrative; Frühe Neuzeit; Erinnerungskultur; victim narratives; Early Modern Period; memory culture

There are no references for this article.