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ZusammenfassungAb wann galt biologische Reproduktion in modernen westlichen Gesellschaften als Gegenstand einer bewussten Entscheidung und nicht länger als „Schicksal“ oder „Fluch“? Ist die Entscheidbarkeit von Fortpflanzung vielleicht gerade ein Kennzeichen von modernen Gesellschaften? Der Artikel untersucht das Zusammenspiel dreier Faktoren, welche, so die Ausgangshypothese, die Entscheidbarkeit von Reproduktion überhaupt erst ermöglichen: Es sind dies erstens Wissen über Empfängnis und Familienplanung, zweites rechtliche Normen, die eine bewusste Steuerung der Fortpflanzung zulassen, und drittens familiale Werte/Geschlechternormen, die vor allem Frauen Handlungsräume für Fortpflanzungsentscheidungen eröffnen. Reproduktives Entscheiden selbst wird verstanden als bewusster Vorgang der Wahl zwischen zwei oder mehreren Alternativen nach einer Phase der Reflexion. Der Beitrag geht aus von der US-Gesellschaft der „Hochmoderne“ (1890–1990), diskutiert jedoch auch Querverbindungen zu anderen westlichen Gesellschaften. Als Quellen dienen Expertinnen- und Expertendiskurse, rechtliche Rahmensetzungen und individuelle Entscheidungsnarrative. Am Ende steht eine Periodisierung der sich verändernden Rahmenbedingungen, Praxen und Legitimationsdiskurse reproduktiven Entscheidens im 20. Jahrhundert. Es zeigt sich einerseits, dass die Optionen reproduktiven Entscheidens in der Moderne durch Wissen, Technologie und veränderte Normen und Werte erwartungsgemäß ansteigen. Zugleich erweist sich aber auch die Persistenz von Faktoren wie Expertenwissen, traditionellen Familienwerten und vor allem den Ungleichheitskategorien Race, Class und Gender, welche die Entscheidungsspielräume für Frauen, Paare und Familien gerade in der Moderne nachhaltig einschränken.
Historische Zeitschrift – de Gruyter
Published: Feb 1, 2020
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