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Resemantisierung und Rekontextualisierung in Nietzsches Dithyrambus Von der Armut des Reichsten

Resemantisierung und Rekontextualisierung in Nietzsches Dithyrambus Von der Armut des Reichsten „Die Sprache Luthers und die poetische Form derBibel als Grundlage einer neuen deutschen Poesie:das ist meine Erfindung!“ (NL 25[173], KSA 11, 60)1EinleitendesWolfram Groddeck hat in seiner textgenetischen Edition nachgezeichnet, dass Nietzsche den Dithyrambus Von der Armut des Reichsten (KSA 6, 406–410) als das zweite Gedicht, welches den sechs Liedern Zarathustra’s zugedacht war, im Sommer 1888 fertigstellte. Vgl. Wolfram Groddeck, Friedrich Nietzsche. ‚Dionysos-Dithyramben‘, 2 Bde., Bd. 1, Berlin u. New York 1991, XXVI und XXIX–XXXII. Anschließend integrierte er den Dithyrambus in das unveröffentlichte Pamphlet Nietzsche contra Wagner, nur um diesen letztlich am Jahresbeginn 1889 als das abschließende Gedicht in die Dionysos-Dithyramben einzugliedern. Vgl. ebd., L–LVI. Dieser genetische Befund offenbart ein kompositorisches Moment: Mittels der intendierten Positionierung kann das Gedicht in ein kommentierendes Verhältnis zu dem Gedichtzyklus insgesamt treten und dessen zuvor exponierten Gedanken aufgreifen, kommentieren und steigern. Hierdurch entwickelt Nietzsche insistierend eine idiomatische Gedanken- und Sprachwelt.Nietzsche greift darüber hinaus nicht nur auf sein eigenes Œuvre zurück: Das Gedicht integriert die unterschiedlichsten Anspielungen in Bezug auf literarische Topoi sowie die Geschichtsschreibung, die Nietzsche dabei von ihrer ursprünglichen Referenz entkontextualisiert. Besonders die Entkontextualisierung neu- sowie alttestamentlicher Topoi gilt es unter diesem Aspekt hervorzuheben, da diese dichterische Praxis einen integralen Wesenszug nietzscheanischer Dichtung darstellt, siehe z. B. Manfred Kaempfert, Säkularisation und neue http://www.deepdyve.com/assets/images/DeepDyve-Logo-lg.png Nietzscheforschung de Gruyter

Resemantisierung und Rekontextualisierung in Nietzsches Dithyrambus Von der Armut des Reichsten

Nietzscheforschung , Volume 29 (1): 11 – Dec 1, 2022

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Publisher
de Gruyter
Copyright
© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
ISSN
2191-9259
eISSN
2191-9259
DOI
10.1515/NIFO-2022-014
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Abstract

„Die Sprache Luthers und die poetische Form derBibel als Grundlage einer neuen deutschen Poesie:das ist meine Erfindung!“ (NL 25[173], KSA 11, 60)1EinleitendesWolfram Groddeck hat in seiner textgenetischen Edition nachgezeichnet, dass Nietzsche den Dithyrambus Von der Armut des Reichsten (KSA 6, 406–410) als das zweite Gedicht, welches den sechs Liedern Zarathustra’s zugedacht war, im Sommer 1888 fertigstellte. Vgl. Wolfram Groddeck, Friedrich Nietzsche. ‚Dionysos-Dithyramben‘, 2 Bde., Bd. 1, Berlin u. New York 1991, XXVI und XXIX–XXXII. Anschließend integrierte er den Dithyrambus in das unveröffentlichte Pamphlet Nietzsche contra Wagner, nur um diesen letztlich am Jahresbeginn 1889 als das abschließende Gedicht in die Dionysos-Dithyramben einzugliedern. Vgl. ebd., L–LVI. Dieser genetische Befund offenbart ein kompositorisches Moment: Mittels der intendierten Positionierung kann das Gedicht in ein kommentierendes Verhältnis zu dem Gedichtzyklus insgesamt treten und dessen zuvor exponierten Gedanken aufgreifen, kommentieren und steigern. Hierdurch entwickelt Nietzsche insistierend eine idiomatische Gedanken- und Sprachwelt.Nietzsche greift darüber hinaus nicht nur auf sein eigenes Œuvre zurück: Das Gedicht integriert die unterschiedlichsten Anspielungen in Bezug auf literarische Topoi sowie die Geschichtsschreibung, die Nietzsche dabei von ihrer ursprünglichen Referenz entkontextualisiert. Besonders die Entkontextualisierung neu- sowie alttestamentlicher Topoi gilt es unter diesem Aspekt hervorzuheben, da diese dichterische Praxis einen integralen Wesenszug nietzscheanischer Dichtung darstellt, siehe z. B. Manfred Kaempfert, Säkularisation und neue

Journal

Nietzscheforschungde Gruyter

Published: Dec 1, 2022

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