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Pietismus und Krise. Der hallesche und der radikale Pietismus im dänischen Gesamtstaat

Pietismus und Krise. Der hallesche und der radikale Pietismus im dänischen Gesamtstaat ZusammenfassungDer Aufsatz untersucht die Reaktionen der Bevölkerung und Kirche auf die Bestrebungen Christians VI. (1730–1746), den Halleschen Pietismus in den Kernländern des Gesamtstaates, Dänemark, Norwegen, Schleswig und Holstein, zu verbreiten. Der dänische König berief systematisch pietistische Bischöfe und Pfarrer und machte die Konfirmation und den pietistischen Katechismus „Wahrheit zu Gottesfurcht“ obligatorisch. Sowohl die Frau des Königs, Königin Sophie Magdalene, als auch seine engsten Berater in der Zentraladministration waren deutsche Pietisten. Gleichzeitig entstanden im gesamten Reich, vor allem in Kopenhagen, Nordjütland und Südnorwegen, private radikalpietistische Konventikel. Besonders einer dieser Konventikel, der sich im Gasthof „Den forgyldte Okse“ (Der vergoldete Ochse) mitten in Kopenhagen traf, rief erhebliche Unruhen in der Bevölkerung hervor, weil die Teilnehmer dieses Konventikels beträchtlich von den geltenden sozialen Normen abwichen. Die Hauptthese dieses Aufsatzes ist, dass die propietistische Politik des Königs eine umfassende kirchliche Krise auslöste, die einer politischen und Verfassungskrise nahekam. Ursache dafür war die Tatsache, dass die absolutistische Macht des Königs auf dem „Kongelov“ (Königsgesetz) von 1665 beruhte, welches ihn verpflichtete, das Augsburger Bekenntnis aufrechtzuerhalten. Nach Ansicht dänischer Theologen stand die pietistische Unterscheidung zwischen wahren und falschen Christen im Widerspruch zu dem lutherischen Grundsatz, wonach der Mensch allein durch den Glauben die Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit vor Gott erlangen könne. Ein weiterer Konfliktpunkt war die Tatsache, dass pietistische Pfarrer ihren Gemeindemitgliedern die Absolution und damit den Zugang zum Abendmahl verweigerten. Dies rief große Wut und Angst in der breiten Bevölkerung hervor. Anstatt ihre Seele und ihren Lebensstil zu erforschen, wie es die pietistischen Texte forderten, richteten viele ihre Gefühle in Form von Klagen und Straßenprotesten nach außen gegen die Versammlungsorte der Pietisten. Diese heftigen Reaktionen sind im Zusammenhang mit der Tatsache zu sehen, dass die Bevölkerung nicht daran gewöhnt war, auf andere religiöse Richtungen als das traditionelle Luthertum zu treffen. Die Unruhen hörten mit dem Tod des Königs 1746 auf. Auf längere Sicht hat seine propietistische Politik die Voraussetzung für die religiösen Erweckungen geschaffen, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Dänemark wie in Norwegen entstanden. http://www.deepdyve.com/assets/images/DeepDyve-Logo-lg.png Historische Zeitschrift de Gruyter

Pietismus und Krise. Der hallesche und der radikale Pietismus im dänischen Gesamtstaat

Historische Zeitschrift , Volume 307 (2): 29 – Oct 5, 2018

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Publisher
de Gruyter
Copyright
© 2018 by Walter de Gruyter Berlin/Boston
ISSN
2196-680X
eISSN
2196-680X
DOI
10.1515/hzhz-2018-0028
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Abstract

ZusammenfassungDer Aufsatz untersucht die Reaktionen der Bevölkerung und Kirche auf die Bestrebungen Christians VI. (1730–1746), den Halleschen Pietismus in den Kernländern des Gesamtstaates, Dänemark, Norwegen, Schleswig und Holstein, zu verbreiten. Der dänische König berief systematisch pietistische Bischöfe und Pfarrer und machte die Konfirmation und den pietistischen Katechismus „Wahrheit zu Gottesfurcht“ obligatorisch. Sowohl die Frau des Königs, Königin Sophie Magdalene, als auch seine engsten Berater in der Zentraladministration waren deutsche Pietisten. Gleichzeitig entstanden im gesamten Reich, vor allem in Kopenhagen, Nordjütland und Südnorwegen, private radikalpietistische Konventikel. Besonders einer dieser Konventikel, der sich im Gasthof „Den forgyldte Okse“ (Der vergoldete Ochse) mitten in Kopenhagen traf, rief erhebliche Unruhen in der Bevölkerung hervor, weil die Teilnehmer dieses Konventikels beträchtlich von den geltenden sozialen Normen abwichen. Die Hauptthese dieses Aufsatzes ist, dass die propietistische Politik des Königs eine umfassende kirchliche Krise auslöste, die einer politischen und Verfassungskrise nahekam. Ursache dafür war die Tatsache, dass die absolutistische Macht des Königs auf dem „Kongelov“ (Königsgesetz) von 1665 beruhte, welches ihn verpflichtete, das Augsburger Bekenntnis aufrechtzuerhalten. Nach Ansicht dänischer Theologen stand die pietistische Unterscheidung zwischen wahren und falschen Christen im Widerspruch zu dem lutherischen Grundsatz, wonach der Mensch allein durch den Glauben die Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit vor Gott erlangen könne. Ein weiterer Konfliktpunkt war die Tatsache, dass pietistische Pfarrer ihren Gemeindemitgliedern die Absolution und damit den Zugang zum Abendmahl verweigerten. Dies rief große Wut und Angst in der breiten Bevölkerung hervor. Anstatt ihre Seele und ihren Lebensstil zu erforschen, wie es die pietistischen Texte forderten, richteten viele ihre Gefühle in Form von Klagen und Straßenprotesten nach außen gegen die Versammlungsorte der Pietisten. Diese heftigen Reaktionen sind im Zusammenhang mit der Tatsache zu sehen, dass die Bevölkerung nicht daran gewöhnt war, auf andere religiöse Richtungen als das traditionelle Luthertum zu treffen. Die Unruhen hörten mit dem Tod des Königs 1746 auf. Auf längere Sicht hat seine propietistische Politik die Voraussetzung für die religiösen Erweckungen geschaffen, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Dänemark wie in Norwegen entstanden.

Journal

Historische Zeitschriftde Gruyter

Published: Oct 5, 2018

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