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ZusammenfassungDer vorliegende Beitrag möchte einem Zentralereignis der deutschen Geschichte, dem 30. Januar 1933, neue Facetten abgewinnen. Dazu wählt er erstens einen methodischen Zugang, der nach der Entscheidungskultur fragt, aus der die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler erwuchs. Dabei steht insbesondere die Ressource Zeit als Entscheidungsfaktor im Blickpunkt. Zweitens entwickelt der Beitrag Kriterien, um kontrafaktische Annahmen über einen alternativen Geschichtsverlauf auf ihre Plausibilität hin zu prüfen. Dies unterstreicht zugleich den Entscheidungscharakter des 30. Januar 1933: Reichspräsident Hindenburg hätte auch gegen eine Reichskanzlerschaft Hitlers votieren können, weil er über eine bewusste und von ihm selbst als aussichtsreich erwogene Handlungsalternative verfügte. Diese Handlungsalternative bestand in einer politischen Aufwertung Gregor Straßers wie sie nicht zuletzt von Reichskanzler Schleicher vorbereitet und dem Reichspräsidenten als alternative Lösung unterbreitet worden war. Auf einem erweiterten Quellenfundament, das sowohl neue Quellen auswertet als auch bekannte Quellen in einem neuen Licht erscheinen lässt, verknüpft der Beitrag erstmals systematisch die Aktionen der beiden Zentralfiguren Straßer und Schleicher. Die Straßer-Schleicher-Option setzte darauf, durch Zeitgewinn die allgemeine Lage zu beruhigen und Straßer als gouvernementale Alternative zu Hitler so zu profilieren, dass bei fälligen Neuwahlen eine Straßer-Partei den politischen Führungsanspruch Hitlers irreparabel beschädigen würde. Hindenburg verwarf letztlich diese Option, weil er eine rasche und grundstürzende politische Veränderung anstrebte, die nur mit Hitler zu realisieren war: keine Zwischenlösung, sondern eine „Endlösung“.
Historische Zeitschrift – de Gruyter
Published: Apr 1, 2021
Keywords: Machtergreifung; Entscheidungskulturen; kontrafaktische Geschichte; decision making; contrafactional history
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