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ZusammenfassungDieser Artikel untersucht das bisher von der Geschichtswissenschaft vernachlässigte Verhältnis von Infrastruktur, Raum und Deutungsmacht am Beispiel des Nord-Ostsee-Kanals zwischen 1895 und 1955. Die treibende Kraft hinter dieser wechselseitigen Dreiecksbeziehung war der Widerstreit militärischer und ökonomischer Interpretationsmuster der Wasserstraße als militärischer Bedrohungs- bzw. Verteidigungsraum und europäische Handelsroute. Von der Eröffnung des Kanals 1895 bis 1942 existierten die konkurrierenden Deutungsmuster der multilateralen Handelsinfrastruktur und des national-bilateralen Bedrohungsraums für britische Sicherheitsinteressen nebeneinander her. Dabei dominierte über weite Strecken das öffentlichkeitswirksame Deutungsschema des Bedrohungsraums gegenüber dem ‚stillen‘ Narrativ der Handelsroute. Im Kontext der Deutschlandfrage, wie sie die Alliierten im Zeitraum von 1943 bis 1947 verhandelten, traten Aushandlungsprozesse zwischen beiden Interpretationsmustern offen zutage. Seit 1948 entwickelten sich beide Narrative dann in einem zusehends multilateralen Kontext fort, wobei das Interpretationsschema der Handelsroute die Oberhand gewann. Gleichzeitig wandelte sich das Konzept des national-bilateralen Bedrohungsraums vor dem Hintergrund des frühen Kalten Kriegs zu einem multilateralen Verteidigungsraum gegen einen möglichen sowjetischen Angriff auf Westeuropa unter dem Dach des Nordatlantikpakts (NATO). Der Untersuchungszeitraum endet mit der Teilsouveränität und dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik 1955.
Historische Zeitschrift – de Gruyter
Published: Apr 1, 2022
Keywords: Raumgeschichte; Infrastrukturgeschichte; Wahrnehmungsgeschichte; spatial history; history of infrastructures; history of perceptions
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