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„Herrentiere“ und „Untermenschen“

„Herrentiere“ und „Untermenschen“ Zu den Transformationen des Mensch-Tier-Verhältnisses im nationalsozialistischen Deutschland von Maren Möhring ,,indergeschichteistvielzuwenigvontierendierede."DieseFeststellungtraf elias canetti in den frühen 1940er Jahren.1 sie ist noch heute gültig, hat die ge schichtswissenschaft im deutschsprachigen raum ­ anders als in den usA oder großbritannien ­ doch erst jüngst begonnen, sich mit der rolle vontieren in der geschichte auseinanderzusetzen. Dies ist insofern erstaunlich, als dieAbgrenzung zumtiereinkonstitutivesmomentmenschlicherselbstdefinitiondarstelltundsich diegeschichtedertiermenschBeziehungindiesemsinneals,,historischegrund lagenforschung"verstehenlässt.2 AushistorischerperspektiveistdabeidiephilosophischanthropologischeFrage nachdemmenscheninseinerÄhnlichkeitundDifferenzzumtierwenigergrund sätzlichvoninteresse.Vielmehrbefasstsichdiegeschichtswissenschaftvorallem mitdenbeschreibbarenFolgenundeffektenderfortwährendentrennungzwischen tier und mensch, die giorgioAgamben als ,,eine grundlegende metaphysischpo litischeoperation"bezeichnethat.3DiesetrennungbildetzugleichdenAusgangs punktweiterer(problematischer)unterscheidungen,etwazwischenFrauundmann oderdensogenanntenWildenundZivilisierten,dieüberihreangeblichunterschied lichenähezumtierdifferenziertwurdenundwerden. WährendnochdiephilosophiederAufklärungvoneinerwesensmäßigenDiffe renzvonmenschundtierausgegangenwar,setztensichum1800zunehmendalter nativesichtweisendurch,dieeherdiegemeinsamkeitenvonmenschundtierhe rausstellten,undzwarinsbesonderedieempfindungsundleidensfähigkeitbeider, diezumAusgangspunktdertierschutzbewegungwerdensollte.mitderBetonung der empfindsamkeit der tiere ließ sich Kritik an einem rein anthropozentrischen tierschutzüben­eineposition,diederbritischeJuristundphilosophJeremyBent hambereitsamendedes18. JahrhundertsinseinerIntroduction to the Principles of Morals and Legislationwirkmächtigaufdenpunktgebrachthatte.Beidentieren, 1 Elias Canetti,Übertiere.miteinemnachwortv.BrigitteKronauer,münchen­Wien2002, 13[canetti,Aufzeichnungen1942­1946]. 2 Paul Münch, tiere und menschen. ein thema der historischen grundlagenforschung, in: ders.(Hg.),tiereundmenschen.geschichteundAktualitäteinesprekärenVerhältnisses,pader born1998,9­34. 3 Giorgio Agamben,Dasoffene.Dermenschunddastier,Frankfurta.m.2003,31;vgl.auch Pascal Eitler/Maren Möhring, eine tiergeschichte der moderne ­ theoretische perspektiven, in: traverse15(2008)H.3,91­106. so Bentham in seinem berühmten Diktum, laute die Frage nämlich nicht: ,,,can theyreason?`nor,cantheytalk?`,but,cantheysuffer?`"4Vorallemabergewann schondamalssowieverstärktinderzweitenHälftedes19. JahrhundertsderBegriff des lebens eine für die tiermenschBeziehung entscheidende Bedeutung. Dies galtfürvitalistischlebensphilosophischeströmungenebensowiefürdieempirisch experimentelleerforschungmenschlicherundtierischerorganismenindennatur wissenschaften, die ­ spätestens mit Darwin ­ keine fundamentalen, sondern nur noch graduelle Differenzen zwischen mensch und tier feststellten. Die mit dem sozialdarwinismuserfolgendeÜbertragungbiologischerKonzepteaufmenschliche gesellschaftenbrachteschließlicheineweitereeinebnungdertiermenschDiffe renz,diefürdennationalsozialismusundseinetierschutzgesetzgebungvonmaß geblicherBedeutungwar. Dasbereitskurznachdermachtergreifungimnovember1933erlassenereichs tierschutzgesetz5stellteseinerzeitdasumfassendsteunddetailliertestegesetzgegen tierquälerei dar. in der Forschung ist http://www.deepdyve.com/assets/images/DeepDyve-Logo-lg.png Historische Anthropologie de Gruyter

„Herrentiere“ und „Untermenschen“

Möhring, Maren
Historische Anthropologie , Volume 19 (2) – May 1, 2011
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Publisher
de Gruyter
Copyright
Copyright © 2011 by the
ISSN
0942-8704
eISSN
2194-4032
DOI
10.7788/ha.2011.19.2.229
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Abstract

Zu den Transformationen des Mensch-Tier-Verhältnisses im nationalsozialistischen Deutschland von Maren Möhring ,,indergeschichteistvielzuwenigvontierendierede."DieseFeststellungtraf elias canetti in den frühen 1940er Jahren.1 sie ist noch heute gültig, hat die ge schichtswissenschaft im deutschsprachigen raum ­ anders als in den usA oder großbritannien ­ doch erst jüngst begonnen, sich mit der rolle vontieren in der geschichte auseinanderzusetzen. Dies ist insofern erstaunlich, als dieAbgrenzung zumtiereinkonstitutivesmomentmenschlicherselbstdefinitiondarstelltundsich diegeschichtedertiermenschBeziehungindiesemsinneals,,historischegrund lagenforschung"verstehenlässt.2 AushistorischerperspektiveistdabeidiephilosophischanthropologischeFrage nachdemmenscheninseinerÄhnlichkeitundDifferenzzumtierwenigergrund sätzlichvoninteresse.Vielmehrbefasstsichdiegeschichtswissenschaftvorallem mitdenbeschreibbarenFolgenundeffektenderfortwährendentrennungzwischen tier und mensch, die giorgioAgamben als ,,eine grundlegende metaphysischpo litischeoperation"bezeichnethat.3DiesetrennungbildetzugleichdenAusgangs punktweiterer(problematischer)unterscheidungen,etwazwischenFrauundmann oderdensogenanntenWildenundZivilisierten,dieüberihreangeblichunterschied lichenähezumtierdifferenziertwurdenundwerden. WährendnochdiephilosophiederAufklärungvoneinerwesensmäßigenDiffe renzvonmenschundtierausgegangenwar,setztensichum1800zunehmendalter nativesichtweisendurch,dieeherdiegemeinsamkeitenvonmenschundtierhe rausstellten,undzwarinsbesonderedieempfindungsundleidensfähigkeitbeider, diezumAusgangspunktdertierschutzbewegungwerdensollte.mitderBetonung der empfindsamkeit der tiere ließ sich Kritik an einem rein anthropozentrischen tierschutzüben­eineposition,diederbritischeJuristundphilosophJeremyBent hambereitsamendedes18. JahrhundertsinseinerIntroduction to the Principles of Morals and Legislationwirkmächtigaufdenpunktgebrachthatte.Beidentieren, 1 Elias Canetti,Übertiere.miteinemnachwortv.BrigitteKronauer,münchen­Wien2002, 13[canetti,Aufzeichnungen1942­1946]. 2 Paul Münch, tiere und menschen. ein thema der historischen grundlagenforschung, in: ders.(Hg.),tiereundmenschen.geschichteundAktualitäteinesprekärenVerhältnisses,pader born1998,9­34. 3 Giorgio Agamben,Dasoffene.Dermenschunddastier,Frankfurta.m.2003,31;vgl.auch Pascal Eitler/Maren Möhring, eine tiergeschichte der moderne ­ theoretische perspektiven, in: traverse15(2008)H.3,91­106. so Bentham in seinem berühmten Diktum, laute die Frage nämlich nicht: ,,,can theyreason?`nor,cantheytalk?`,but,cantheysuffer?`"4Vorallemabergewann schondamalssowieverstärktinderzweitenHälftedes19. JahrhundertsderBegriff des lebens eine für die tiermenschBeziehung entscheidende Bedeutung. Dies galtfürvitalistischlebensphilosophischeströmungenebensowiefürdieempirisch experimentelleerforschungmenschlicherundtierischerorganismenindennatur wissenschaften, die ­ spätestens mit Darwin ­ keine fundamentalen, sondern nur noch graduelle Differenzen zwischen mensch und tier feststellten. Die mit dem sozialdarwinismuserfolgendeÜbertragungbiologischerKonzepteaufmenschliche gesellschaftenbrachteschließlicheineweitereeinebnungdertiermenschDiffe renz,diefürdennationalsozialismusundseinetierschutzgesetzgebungvonmaß geblicherBedeutungwar. Dasbereitskurznachdermachtergreifungimnovember1933erlassenereichs tierschutzgesetz5stellteseinerzeitdasumfassendsteunddetailliertestegesetzgegen tierquälerei dar. in der Forschung ist

Journal

Historische Anthropologie – de Gruyter

Published: May 1, 2011

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