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Der Mensch ist, was er ißt

Der Mensch ist, was er ißt Ernährungsmythen und Wandel der Eßkultur von Jakob Tanner 1. Naturbeherrschung und Rinderwahnsinn ,,": Dieses Sprichwort hat mit der öffentlichen Auseinandersetzung um den Rinderwahnsinn eine prekäre Zuspitzung erhalten. Die Einsicht, daß Menschen, die das Fleisch wahnsinniger Tiere essen, mit einer heimtückischen Zeitverzögerung selber den Verstand und das Leben verlieren können, löste im März 1996 weithin Angst vor einem ,,Seuchen-GAU ungekannten Ausmaßes" und vor einer ,,galoppierenden Hirnschwamm-Epidemie" aus. 1 Die Importsperren, die umgehend in verschiedensten Richtungen verhängt wurden, hatten eine Rindfleischkrise zur Folge, welche sich rasch zu einem Belastungstest für die Europäische Union auswuchs. Interessant ist die Sprachregelung: Während im angelsächsischen Bereich das Menetekel ,,mad cow disease" durch das emotional neutralisierende Kürzel BSE 2 ersetzt wurde, ist hierzulande unverändert von ,,Wahnsinn" die Rede. In dieser Wendung drückt sich der Sachverhalt aus, daß wir es sind, die unsere Angst vor dem eigenen Irrewerden auf die Tiere projizieren. 3 Ob nämlich Rinder wahnsinnig werden können: das ist deshalb eine schwierig zu entscheidende Frage, weil sie mit jener nach ihrer Vernunftfahigkeit zusammenhängt. 4 Sicher ist hingegen, daß die Tiere, bei welchen Prionenkaskaden eine Schwamm- 1 Zitate aus: ,,Es war höchste Zeit", in: Der Spiegel 13/1996, 22. 2 Für Bovine Spongiforme Encephalophathy 3 Diese http://www.deepdyve.com/assets/images/DeepDyve-Logo-lg.png Historische Anthropologie de Gruyter

Der Mensch ist, was er ißt

Historische Anthropologie , Volume 4 (3) – Dec 1, 1996

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Publisher
de Gruyter
Copyright
Copyright © 1996 by the
ISSN
0942-8704
eISSN
2194-4032
DOI
10.7788/ha.1996.4.3.399
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Abstract

Ernährungsmythen und Wandel der Eßkultur von Jakob Tanner 1. Naturbeherrschung und Rinderwahnsinn ,,": Dieses Sprichwort hat mit der öffentlichen Auseinandersetzung um den Rinderwahnsinn eine prekäre Zuspitzung erhalten. Die Einsicht, daß Menschen, die das Fleisch wahnsinniger Tiere essen, mit einer heimtückischen Zeitverzögerung selber den Verstand und das Leben verlieren können, löste im März 1996 weithin Angst vor einem ,,Seuchen-GAU ungekannten Ausmaßes" und vor einer ,,galoppierenden Hirnschwamm-Epidemie" aus. 1 Die Importsperren, die umgehend in verschiedensten Richtungen verhängt wurden, hatten eine Rindfleischkrise zur Folge, welche sich rasch zu einem Belastungstest für die Europäische Union auswuchs. Interessant ist die Sprachregelung: Während im angelsächsischen Bereich das Menetekel ,,mad cow disease" durch das emotional neutralisierende Kürzel BSE 2 ersetzt wurde, ist hierzulande unverändert von ,,Wahnsinn" die Rede. In dieser Wendung drückt sich der Sachverhalt aus, daß wir es sind, die unsere Angst vor dem eigenen Irrewerden auf die Tiere projizieren. 3 Ob nämlich Rinder wahnsinnig werden können: das ist deshalb eine schwierig zu entscheidende Frage, weil sie mit jener nach ihrer Vernunftfahigkeit zusammenhängt. 4 Sicher ist hingegen, daß die Tiere, bei welchen Prionenkaskaden eine Schwamm- 1 Zitate aus: ,,Es war höchste Zeit", in: Der Spiegel 13/1996, 22. 2 Für Bovine Spongiforme Encephalophathy 3 Diese

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Historische Anthropologiede Gruyter

Published: Dec 1, 1996

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