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Affen und Menschen

Affen und Menschen Aufsätze Affen und Menschen Geschichten von Differenz, Verwandtschaft und Identität von Paul Münch ,,esistheuteschonunwahr,dassdieAffendemmenschennäherste henalsanderetiere.langeZeitmögenwirunsnichtvielvonihnen unterschieden haben; damals waren sie uns nahe verwandt; heute habenwirunsdurchunzähligeVerwandlungensoweitvonihnenent fernt,dasswirnichtwenigervonVögelnanunshabenalsvonAffen." eliascanetti DieFrage,wasAffenmitmenschenverbindetodervonihnentrennt,durchziehtdie geschichte der Zoologie undAnthropologie wie ein roter Faden. seit derAntike haben sich philosophen, theologen, Ärzte, naturwissenschaftler und Beobachter allerArtvondermenschenähnlichkeitdiesertierefaszinierenlassen.inderbunten gemeinschaftwirklicheroderphantastischerWesen,vondenenmanbisweitindie neuzeit hinein die Welt bevölkert glaubte, wies man Affen vielfältige, doch oft malswidersprüchlichesymbolischeschlüsselfunktionenzu.1Währendsieinaußer europäischenKulturenalsvertrauteHaustieregehaltenwerdenundmitunterhohes Ansehen,jareligiöseVerehrunggenießen,bliebihrekulturelleBewertungundein ordnungineuropastetsumstritten.Dieihnenzugeschriebenenachahmungssucht, unreinlichkeit, diebischeVeranlagung und obszöne sinnlichkeit stempelte sie bis weitindieFrüheneuzeithineinzuschreckbildernvonnarrheitundsünde,sahin ihnenAbkömmlingedesteufels,des,,Affengottes"parexcellence.erstspätgalten siepositivalssinnbilderfürdienaturnachahmendeKunst:,,Arssimianaturae."2 imAffen, dessen physiognomische menschenähnlichkeit3 ihm den lateinischen namen,,simius/simia"4einbrachte,erkanntemanschonfrühdennahen,janächsten Verwandten. Bis heute weist man ihm gewissermaßen die rolle eines lebendigen ,archimedischenpunktes`zu,vondemausmandenrätselndeseigenenVerhaltens gewissermaßenvonaußenaufdiespurzukommenhofft.WieprojektivdieseVer suche sind, zeigt sich daran, dass menschen mit vielen alltäglichen redewendun gen5 und sprachbildern6Affen meist nur benutzen, um sich ,,die eigene hässliche FratzeimspiegelderWahrheitzuersparen."7FürdenArztundnaturforscherlo 1 Vgl.hierzualsklassischesreferenzwerk:H[orst] W[oldemar] Janson,ApesandApelore inthemiddleAgesandtherenaissance,london1952. 2 Vgl.ebd.,287ff. 3 Vgl.ebd.dasKapitel,,similitudoHominis",73ff. 4 Vonlat.similis(ähnlich);vgl.ebd.,19f. 5 Z.B.,,denAffenmachen";,,einenAffensitzenhaben";,,vomAffengebissensein". 6 Z.B.Affentheater,Affentanz,Affenschande,Affenliebe. 7 Rudolf Schenda,DasABcdertiere.märchen,mythenundgeschichten,münchen1995,22. renzokenrepräsentiertenAffenindiesemsinne,,nurdieschlechteseitedesmen schen,sowohlinphysischer,alsmoralischerHinsicht".8Hegelwollteinihnen,,eine satyreaufdenmenschen"erkennen,,,diediesergernsehenmuß,wenneresnicht soernsthaftmitsichnehmen,sondernsichübersichselbstlustigmachenwill".Für nietzscheerzeugtederAffe,,eingelächterodereineschmerzlichescham."9 Affen bilden den extremen Fokus der von tiefenWidersprüchen geprägtentra ditionenimmenschtierVerhältnis,dieindergegenwartgeradezupathologische Ausmaße erreichen.10 unverhüllte Verwertungsinteressen und emanzipatorische gleichstellungspostulate,derenextremeunvereinbarsind,machensiegleicherma ßenzubeklagenswertenopfernwiezufragwürdigenprofiteurendieserAmbivalenz. AufdereinenseitestehtihrerücksichtsloseAusbeutungzumVorteildesmenschen, alsVersuchstiereinmedizinischenlaboren11undalsnahrungslieferanten,diedurch keinuniversalesnahrungstabugeschütztwerden,12andererseitserfahrendie,,gro ßen menschenaffen" gegenwärtig eineAufwertung, die sie nahe wie nie zuvor an denmenschenheranrückt.mittlerweilescheinendieletztengrenzenzufallen.Die traditionellenArtunterschiede sollen nicht mehr als qualitative, sondern allenfalls nochalsverschwindendgeringequantitativeDifferenzengelten.Dermedienhype, derfasttäglichvonimmerneuenWunderleistungenunserer,,nächstenVerwandten" berichtet,provozierterneutdiealtenFragen:sindwirangeblicheHominessapien tesnur,,nackteAffen"13odersindAffenvielleichtdochmenschen? Dasthemagehörtzuranthropologischengrundlagenforschung.Diemythischen, religiösen,philosophischen,biologischen,dochauchdieöffentlichkommunizierten populärwissenschaftlichengrenzauslotungenderconditio humanabedürfen,wenn sie als selbstdefinitionen taugen sollen, generell des http://www.deepdyve.com/assets/images/DeepDyve-Logo-lg.png Historische Anthropologie de Gruyter

Affen und Menschen

Historische Anthropologie , Volume 19 (2) – May 1, 2011

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Publisher
de Gruyter
Copyright
Copyright © 2011 by the
ISSN
0942-8704
eISSN
2194-4032
DOI
10.7788/ha.2011.19.2.172
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Abstract

Aufsätze Affen und Menschen Geschichten von Differenz, Verwandtschaft und Identität von Paul Münch ,,esistheuteschonunwahr,dassdieAffendemmenschennäherste henalsanderetiere.langeZeitmögenwirunsnichtvielvonihnen unterschieden haben; damals waren sie uns nahe verwandt; heute habenwirunsdurchunzähligeVerwandlungensoweitvonihnenent fernt,dasswirnichtwenigervonVögelnanunshabenalsvonAffen." eliascanetti DieFrage,wasAffenmitmenschenverbindetodervonihnentrennt,durchziehtdie geschichte der Zoologie undAnthropologie wie ein roter Faden. seit derAntike haben sich philosophen, theologen, Ärzte, naturwissenschaftler und Beobachter allerArtvondermenschenähnlichkeitdiesertierefaszinierenlassen.inderbunten gemeinschaftwirklicheroderphantastischerWesen,vondenenmanbisweitindie neuzeit hinein die Welt bevölkert glaubte, wies man Affen vielfältige, doch oft malswidersprüchlichesymbolischeschlüsselfunktionenzu.1Währendsieinaußer europäischenKulturenalsvertrauteHaustieregehaltenwerdenundmitunterhohes Ansehen,jareligiöseVerehrunggenießen,bliebihrekulturelleBewertungundein ordnungineuropastetsumstritten.Dieihnenzugeschriebenenachahmungssucht, unreinlichkeit, diebischeVeranlagung und obszöne sinnlichkeit stempelte sie bis weitindieFrüheneuzeithineinzuschreckbildernvonnarrheitundsünde,sahin ihnenAbkömmlingedesteufels,des,,Affengottes"parexcellence.erstspätgalten siepositivalssinnbilderfürdienaturnachahmendeKunst:,,Arssimianaturae."2 imAffen, dessen physiognomische menschenähnlichkeit3 ihm den lateinischen namen,,simius/simia"4einbrachte,erkanntemanschonfrühdennahen,janächsten Verwandten. Bis heute weist man ihm gewissermaßen die rolle eines lebendigen ,archimedischenpunktes`zu,vondemausmandenrätselndeseigenenVerhaltens gewissermaßenvonaußenaufdiespurzukommenhofft.WieprojektivdieseVer suche sind, zeigt sich daran, dass menschen mit vielen alltäglichen redewendun gen5 und sprachbildern6Affen meist nur benutzen, um sich ,,die eigene hässliche FratzeimspiegelderWahrheitzuersparen."7FürdenArztundnaturforscherlo 1 Vgl.hierzualsklassischesreferenzwerk:H[orst] W[oldemar] Janson,ApesandApelore inthemiddleAgesandtherenaissance,london1952. 2 Vgl.ebd.,287ff. 3 Vgl.ebd.dasKapitel,,similitudoHominis",73ff. 4 Vonlat.similis(ähnlich);vgl.ebd.,19f. 5 Z.B.,,denAffenmachen";,,einenAffensitzenhaben";,,vomAffengebissensein". 6 Z.B.Affentheater,Affentanz,Affenschande,Affenliebe. 7 Rudolf Schenda,DasABcdertiere.märchen,mythenundgeschichten,münchen1995,22. renzokenrepräsentiertenAffenindiesemsinne,,nurdieschlechteseitedesmen schen,sowohlinphysischer,alsmoralischerHinsicht".8Hegelwollteinihnen,,eine satyreaufdenmenschen"erkennen,,,diediesergernsehenmuß,wenneresnicht soernsthaftmitsichnehmen,sondernsichübersichselbstlustigmachenwill".Für nietzscheerzeugtederAffe,,eingelächterodereineschmerzlichescham."9 Affen bilden den extremen Fokus der von tiefenWidersprüchen geprägtentra ditionenimmenschtierVerhältnis,dieindergegenwartgeradezupathologische Ausmaße erreichen.10 unverhüllte Verwertungsinteressen und emanzipatorische gleichstellungspostulate,derenextremeunvereinbarsind,machensiegleicherma ßenzubeklagenswertenopfernwiezufragwürdigenprofiteurendieserAmbivalenz. AufdereinenseitestehtihrerücksichtsloseAusbeutungzumVorteildesmenschen, alsVersuchstiereinmedizinischenlaboren11undalsnahrungslieferanten,diedurch keinuniversalesnahrungstabugeschütztwerden,12andererseitserfahrendie,,gro ßen menschenaffen" gegenwärtig eineAufwertung, die sie nahe wie nie zuvor an denmenschenheranrückt.mittlerweilescheinendieletztengrenzenzufallen.Die traditionellenArtunterschiede sollen nicht mehr als qualitative, sondern allenfalls nochalsverschwindendgeringequantitativeDifferenzengelten.Dermedienhype, derfasttäglichvonimmerneuenWunderleistungenunserer,,nächstenVerwandten" berichtet,provozierterneutdiealtenFragen:sindwirangeblicheHominessapien tesnur,,nackteAffen"13odersindAffenvielleichtdochmenschen? Dasthemagehörtzuranthropologischengrundlagenforschung.Diemythischen, religiösen,philosophischen,biologischen,dochauchdieöffentlichkommunizierten populärwissenschaftlichengrenzauslotungenderconditio humanabedürfen,wenn sie als selbstdefinitionen taugen sollen, generell des

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Historische Anthropologiede Gruyter

Published: May 1, 2011

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